Es geht wieder aufwärts. Nach dem Regen kommt der Sonnenschein. Ein paar entscheidende Dinge sind seit meiner turbulenten Ankunft in Leixões geschehen. Ich habe Besuch und mentale Unterstützung von Annika bekommen. Daneben habe ich viele Bekanntschaften mit anderen Seglern im Hafen gemacht und bin die Probleme angegangen, die mich und Emvula belasten bzw. an einer Weiterfahrt hindern. Zeit für Reflektion und Einsicht.

Der Herbst ist wie jedes Jahr eine Herausforderung für mich und mein Wohlbefinden. Die sinkenden Temperaturen, der ständige Regen, die kürzeren Tage und die sich launisch und nur nur sporadisch zeigende Sonne, die innen wie außen trüben Aussichten und das gefühlte Eingesperrtsein auf meinem pflegebedürftigen Boot bei Regen. Das Sehnen nach körperlicher und seelischer Ausgeglichenheit, das Gefühl dieses Jahr wieder einmal zu sehr auf’s Gaspedal gedrückt zu haben. Meine negative Gedankenwelt, die Verarbeitung der Erlebnisse seit meinem Start im Mai haben mich in eine Depression und Lähmung versetzt, aus der ich mich erst einmal befreien musste.

Luftentfeuchter trocknet Boot und Tränen

Ich weiß, dass eine Heizung von vielen Fahrtenseglern als integraler Ausrüstungsbestandteil gesehen wird. Wie einige andere Seglerkameraden habe ich diesen Aspekt bisher unterschätzt und allen Unkenrufen zum Trotz weggewischt. Der Plan “Ich werde immer weiter Richtung Süden segeln und brauche deshalb keine(n) Heizung oder Luftentfeuchter” ging nicht auf. Fakt ist, dass ich es “nur” bis in den Norden Portugals geschafft habe. In eine Region, in der es im Herbst/Winter zwar nicht so kalt ist wie in Deutschland, die aber eine hohe Luftfeuchtigkeit und viel Regen verspricht.

Ja, OK, so kann man es sehen. Aber es gibt wie immer eine Kehrseite der Medaille. Fakt ist, dass ich es schon weiter gebracht habe als die meisten Segler es sich in ihrem Leben erträumen. Ich habe den Mut aufgebracht die Leinen Loszuwerfen und einfach loszusegeln. Den geregelten Alltag inkl. Job, Wohnung usw. - sprich die vermeintliche Sicherheit einer westlichen Existenz - hinter mir zu lassen. Ein Boot ist niemals fertig und bereit, also los und mal sehen was kommt. Probleme auf dem Weg angehen und fixen. Wie viele Segler kommen nie los weil sie sich im Dschungel der Vorbereitung verlieren?

Jetzt zum eigentlichen Thema dieses Abschnitts: Ich hätte nicht gedacht, dass ein Luftentfeuchter derart zu meiner Rettung beiträgt. Im letzten Beitrag habe ich mich intensiv darüber beklagt, in was für einer Tropfsteinhöhle ich mich seit meinem letzten Törn befinde. Nach dem entscheidenen Tipp meines Stegnachbarn Richard, bin ich kurzerhand in die Läden gerannt und habe mir einen Luftentfeuchter besorgt. Dieser sorgt auf höchster Stufe sogar dafür, dass meine nassen Klamotten und aufgestellten Polster über Nacht durchtrocknen. Einen Tag laufen lassen und das Boot ist trocken. Geil!

Freizeitausgleich und Abstand vom Boot

Meine schlechte Stimmung war vor allem dem geschuldet, dass ich mich dieses Jahr und rund um die Uhr (auch noch auf meinem Weg) um die Ausrüstung und Nachbesserung von Emvula, der Rechere und seglerischen Bildung sowie der Vorbereitung von Törns und dem ständigen Wettercheck ergeben habe. Alles drehte sich nur noch um mein Segelboot und ums Weiterkommen. Gepaart mit einem teils ungesunden Perfektionismus’ und einem unermüdlichen Aktionismus habe ich mir über die Zeit zu wenig Abwechslung gegönnt. Aber auch einiges geschafft.

Es war und ist an der Zeit zu lernen, dass Gewisse Dinge eine Weile brauchen und auch einmal Abstand zu sich, seiner Situation und allgemein dem Boot zu gewinnen. Ich habe die tolle Stadt Porto kennengelernt, bin in die nahegelegenen Weinberge ausgeflogen und habe mich beim Wandern an den wunderschönen Herbstfarben des Douro Valleys erfreut. Dann habe ich wieder mit dem Laufen und Dehnen entlang der dafür gut geeigneten Strandpromenade angefangen, was für einen körperlichen Ausgleich zum ganzen Geducke an Bord beiträgt und die Stimmung aufhellt. Daneben ist die Gemeinschaft der Leute hier im Hafen außerordentlich und ich habe einige gute Menschen gefunden.

Kampf ums Recht mit der Hafenbehörde

Die letzten Wochen waren auch mit viel Stress verbunden, da ein Rettungsboot bei einem Schleppversuch die backbordseitige Teak-Scheuerleiste, meine außenliegende Genuaschiene und Emvulas Relingsstützen beschädigt hat. Die Ankunft in der Marina von Leixões ohne Motor war alles andere als ein Zuckerschlecken. Sofort danach hatte ich der vor Ort ansässigen maritimen Polizei Bericht über die Vorkommnisse und den Schaden gegeben. Diese nahm den Fall auf, machte Fotos, zeigte Mitleid und bot Unterstützung an. Bis mein Boot repariert wurde, geschweige denn ein Eingeständnis bzw. ein Versprechen zur Behebung seitens des Hafenmeisters erfolgte, verging einiges an Zeit - genau genommen 4 Wochen.

Das mag nicht lang klingen. Diese Zeit war dennoch ein Auf und Ab meiner Gefühlswelt und Nerven. Die Polizei und auch die Rettungskräfte sind der Hafenbehörde bzw. dem Hafenmeister unterstellt, alle kennen sich und sitzen teilweise im gleichen Bürogebäude. Auch aus Misstrauen gegenüber der portugiesischen Kultur hatte ich Befürchtungen, dass dort Vetternwirtschaft betrieben werden könnte und ich hingehalten würde. Der zuständige Polizeioffizier teilte mir zudem mit, dass der Bericht der Rettungskräfte zu meinem Fall in Widerspruch zu meiner Darstellung stünden - ein Schaden wurde nicht erwähnt, ja sogar abgestritten. Dieser sei angeblich schon vorher schon dagewesen.

Der Polizeioffizier hatte jedoch immer ein offenes Wort für mich und versicherte mir dies auch stets. Dies gab mir nach und nach ein besseres Gefühl und es ist wohl meiner und seiner Hartnäckigkeit zu verdanken, dass letzenendes etwas Gutes daraus entstand. Nach etlichen Runden bei der Polizei bzw. Hafenbehörde und der finalen Diskussion mit dem Vize-Hafenmeister im Beisein des Polizisten, versprach dieser den Schaden zu reparieren. Und zwar vollständig. Erst hieß es nämlich, es würde nur die Scheuerleiste repariert - die darauf sitzende Genuaschiene sei ja nicht durch das Rettungsboot beschädigt worden. Zu guter Letzt waren angeblich auch die Relingsstützen schon vorher verbogen. Ich machte dem Hafenmeister anhand einer Präsentation meiner vorher-nachher-Bilder und -Videos klar, dass dies nicht sein könne. Es war ein Kampf…

Da staatliche Schiffe wie das Rettungsboot in Portugal nicht versichert sind und der Vorfall somit auch nicht wie zwischen Sportbooten üblich mit Gutachter, Kostenvoranschlag und Kostenabdeckung über eine Versicherung laufen konnte, musste der Hafen bzw. seine Mitarbeiter sich selbst darum kümmern. Ich war darüber erstaunt, akzeptierte die Reparatur durch Angestellte der portugiesischen Marine direkt vor Ort aber. So kamen zu willkürlichen Zeiten immer mal wieder dunkel uniformierte Männer an mein Boot, nahmen Maß, berieten sich und verschwanden - mir gegenüber wortlos - wieder. Eines Tages kamen diese Heinzelmännchen dann mit perfekt auf die Rundungen meiner Scheuerleiste abgeschliffenen Teakleisten und begannen zu werkeln. Auch die Relingsstützen und die glücklicherweise nicht abgebrochene, aber außenbords hängende Genuaschiene wurde wieder gerade gebogen.

Eigene notdürftige Reparaturen

Die Püttinge waren undicht. Bei dem konstantem Regen der letzten Wochen hat es überall ins Boot reingetropft. Das Problem wurde an einem der seltenen regenlosen Tage notdürftig angegangen. Ein paar Würste UV-beständiges Silikon schafften Abhilfe. Auf Backbordseite, wo auch der im Salon mit dem Rumpf verbundene Draht zur Krafteinleitung gerissen ist und Stressrisse an Deck entstanden sind, regnet es trotz Silikon immer noch hinein. Ein Geschirrtuch, welches das Wasser auffängt, schmückt nun das Schapp.

Das gerissene Drahtseil zur Krafteinleitung bleibt weiterhin ein Problem. Der direkt am Hafen ansässige Shop hatte nach anfänglichen Versprechen der schnellen Behebung wochenlang weder Lösung noch Preisvorschlag parat. Zwischenzeitlich hieß es, dass die Pressung der Drähte ggf. in Vigo (Spanien) erfolgen müsse und der Versand 25 € kosten würde. Mhhh, ein Versand eines deutschen Yachthändlers kostet europaweit knapp 9 €. In Portugal gibt es scheinbar nicht viele Betriebe, die so etwas machen können. Ich habe den Eindruck, langsam Richtung “Süden” zu kommen. Ich passe mich dem Tempo bzw. der Nichtlösung an und schiebe das Problem auf später. Ich will ja schließlich auch nach Afrika.

Auf Annika ist verlass. Wie auch beim Refit in Köln schon erträgt sie meine Launen und scheut keine Mühe selbst Hand anzulegen. So wird auch die hängende Tapete gemeimsam wieder angebracht und Grönland ist wieder am richtigen Fleck. Daran kann auch Donald Trump nichts ändern. Dick auf der Decke aufgetragen, geben wir dem schon einmal versagten Klebstoff für Feuchträume noch eine weitere Chance. Mal sehen wie lange die Welt diesmal in den Fugen bleibt.

Wanten bzw. Krafteinleitung, Schott und Motor angehen

Bevor Emvula wieder abfahrtbereit ist und ich mich sicher fühle, müssen noch ein paar Dinge geklärt werden. Ich werde mir eine Lösung für die bislang fehlende Krafteinleitung der vorderen Unterwanten überlegen, die das Hochziehen des Decks bewirkt hat. Einen groben Plan im Kopf habe ich schon: Die an Deck ziehenden Kräfte sollen unter Deck an eine massive Konterplatte weitergeleitet und über Stahlseile in gleicher Dicke wie die Wanten in den Rumpf geleitet werden. Warum der Voreigner dieses Prinzip nur für die hinteren Unterwanten realisiert hat bleibt mir ein Rätsel. Jetzt gilt es jedenfalls einen guten Plan inkl. Zeichnungen und Messungen zu machen und einen zuverlässigen Schweißer zu finden, der mir die Beschläge baut. Das Laminieren an den inneren Rumpf und alle weiteren Arbeiten werde ich wohl selbst erledigen sobald die Luftfeuchtigkeit es zulässt.

Mein Motor läuft wieder. Das ist schonmal gut und beruhigt mein Gewissen. An sich war ja auch nicht der Motor das Problem, sondern die Dieselpest im Tank. Deshalb habe ich mir kurzerhand einen 22-Liter-Außenbordertank aus Plastik besorgt und mit frischem, nicht-kontaminierten Diesel befüllt. Dieser Tank wird in Zukunft als Backup fungieren. Über eine Weiche vor dem Vorfilter hat mein Motor die Möglichkeit, den Diesel entweder aus dem Haupttank oder dem Außenbordertank zu beziehen. In Zukunft hätte ich dann bei ähnlichen Problemen zumindest schon einmal die Möglichkeit - nachdem Filter gewechselt wurden und entlüftet wurde - auf hoher See weiterzukommen. Die Deluxe-Variante wäre ein zweiter, getrennter Filterkreislauf. Vielleicht später mal. Zunächst gilt es den kontaminierten Haupttank wieder sauber zu bekommen. Eine Scheißarbeit.

Zu schlechter Letzt wäre da noch das Problem mit meinem gespaltenen Schott und seiner defekten Krafteinleitung der Oberwanten. Ich habe mich dazu entschlossen, das bisherige Prinzip aufrecht zu erhalten und wieder zu reparieren. Ich werde also die Schadstellen im Schott aufbessern und die Außenwände ordentlich doppeln bzw. verstärken, sowie die Konterplatte zur Krafteinleitung ins Schott wieder vernünftig verschrauben. Das wird schon. Daneben werden sämtliche laminierte Verbindungen mit dem Rumpf kontrolliert und ggf. nachgebessert. Ggf. müsste ich für all diese strukturellen Arbeiten den Mast legen. Wo und wann dies geschehen wird, wird mir bestimmt bald klar.

Danke an alle Freunde, Familie, Seglerbekanntschaften, Stegnachbarn etc. für das Mutzusprechen, das geteilte Leid, die tatkräftige Unterstützung und den Erfahrungs- und Wissensaustausch. Es wird weiter gehen. Nur anders. Ich werde im nächsten Frühjahr gestärkt wiederkommen und meinen Traum mit Emvula weiterleben. Versprochen.